Sie haben wahrscheinlich schon mal irgendwo im Urlaub auf den Golfball gehauen und gemerkt, dass das mehr Spaß macht als gedacht. Schön. Und jetzt fragen Sie sich: Wie geht’s beim Golfeinstieg weiter?
Wie in Deutschland üblich brauchen Sie nun einen Schein: die Platzreife. Den hat nicht der Staat erfunden, aber eine ähnliche Behörde: der Deutsche Golf Verband (DGV). Am besten Sie melden sich für einen Platzreifekurs an oder buchen einen Golfurlaub und machen den Schein so schnell wie möglich. Im Folgenden sechs Mythen zur Platzreife.
Mythos 1:
Die Golfclubs sitzen auf einem hohen Ross
Die Konkurrenz ist inzwischen so riesig, dass man Ihnen die Platzreife eigentlich nachschmeißt. Es gibt in Deutschland mitunter schon Pauschal-Angebote für 200 Euro. Bei der Platzreifeprüfung drücken die Prüfer meist beide Augen zu. Sowohl bei der Theorie als auch der Praxis. Würde man nämlich einen blutigen, mittelbegabten Anfänger in mittlerem Alter tatsächlich streng zählen, müsste er mindestens ein halbes Jahr oder länger trainieren. Da wäre die Gefahr zu groß, dass er zur Konkurrenz wechselt. Geht also nicht. Gut für Sie. Die Clubs haben allerorts akuten Mitgliedermangel und das viel zu teure Clubhaus schluckt unbarmherzig weiter Zinsen wie Tilgung.
Die Golfclubs versuchen also verzweifelt, an Mitglieder zu kommen. Als Leiter einer großen Golf-Akademie habe ich auch jahrelang viel Geld mit der Platzreife verdient (Platzerlaubnis ist übrigens ein Synonym). Aber diese Zeiten sind 2022 vorbei, auch wenn der Golfsport durch Corona wieder etwas wächst. Wer als Golflehrer hauptsächlich von Anfängern gelebt hat, der muss den Gürtel heute enger schnallen. Aber das ist Ihnen ja egal. Im Gegenteil: Das ist gut für Sie, denn das senkt die Kosten. Wie kommen Sie jetzt also möglichst schnell an den Schein? Die VCG (Verein clubfreier Golfer), eine Unterabteilung des DGV, hat dazu einen netten Film gedreht.
Mythos 2:
Man darf sich nichts Falsches angewöhnen
Wie sieht jetzt die ideale Vorbereitung für einen Platzreifekurs aus? Lösen Sie sich auf jeden Fall von der Angst, dass Sie etwas kaputt machen, wenn Sie alleine trainieren. Je mehr Bälle Sie schlagen können, desto besser. Griff und Haltung können Sie sich — gleichsam online — mithilfe des Internets selbst beibringen. Man hört immer wieder den gut gemeinten Ratschlag, das Golfspiel solle man gleich von Anfang an richtig lernen und sich nichts Falsches angewöhnen. So läuft das beim Golf allerdings nicht. Denn das würde bedeuten, dass man Sie nicht durchschwingen lassen dürfte, bevor Sie nicht gut abschwingen; man dürfte Sie nicht abschwingen lassen, bevor Sie nicht im höchsten Punkt des Ausholens richtig ankommen. Man dürfte Sie nicht voll ausholen lassen, bevor das halbe Ausholen nicht klappt und das nicht gestatten, bevor das Wegnehmen nicht sitzt. Mit anderen Worten: Der erste Ball würde frühestens nach 100 Stunden Schwungtraining fliegen.
Lesen Sie mal Eugen Herriegels Bestseller »Zen in der Kunst des Bogenschießens«. Der hat das Bogenschießen so gelernt, aber glauben Sie mir: Das wollen Sie nicht, außer Sie sind der Typ, der auch fünf Jahre lang in einem Zen-Kloster täglich zwölf Stunden in unbequemer Haltung eine Wand anstarren kann. Und wenn Sie das können, wollen Sie nicht Golf spielen.
Die Praxis sieht eher so aus: Der durchschnittliche Anfänger macht in seiner Bewegung mindestens zehn Fehler, und wenn er Glück hat oder Talent, dann gleichen sich die Fehler hin und wieder aus und der Ball fliegt. Ein guter Golflehrer kann ihm nun dabei helfen, ein oder zwei Fehler weitestgehend zu beheben. Während er sich auf diese zwei Details konzentriert und viele Stunden so fleißig wie devot die neue Bewegung zu verinnerlichen sucht, schleift er die anderen acht Fehler immer weiter ein. Und es gibt nichts, was er dagegen tun könnte. Die Hoffnung mancher Didaktiker, dass sich die Folgefehler von alleine erledigten, wenn man nur die richtigen zwei ursächlichen Fehler korrigieren würde, gehört ebenso in das Reich der Phantasie. Man hat also keine Wahl außer Stück für Stück ein völlig verknotetes Wollknäuel zu entknoten.
Der Schaden ist also nicht viel größer, wenn man zu Anfang erst mal den richtigen Golfschwung Golfschwung und Fünfe gerade sein lässt. Mit der Platzreife in der Tasche und den ersten frustrierenden Turniererlebnissen hinter sich, kann man sich dem Thema dann ja noch mal mit etwas mehr Gelassenheit und Weisheit widmen.
Es gibt derzeit ein Modethema im Golf, und das heißt differenzielles Training. Ich bin da zwar grundsätzlich eher kritisch, aber so viel ist sicher: Eigenes Herumprobieren schadet sicher nicht, sondern hilft dabei, Ihr Gehirn fürs Golfen besser zu verdrahten.
Mythos 3:
Gruppenunterricht ist am besten
Diese Aussage, dass es sich hierbei um einen Mythos handelt, klingt vielleicht komisch auf einer Internetseite, die golfkurse.com heißt. Ich war die meiste Zeit meiner 35 Jahre als Golflehrer Angestellter (Gut Grambek, Öschberghof, BWGV, DGV, Fleesensee). Und so bestand mein Job darin, die Einnahmen des Golfclubs durch die Golfschule zu maximieren. Und wie macht man das? Man verkauft Kurse. Bei einem Kurs zahlt zwar jeder Teilnehmer pro Stunde weniger, aber alle zusammen deutlich mehr. Gruppenunterricht eignet sich dann, wenn es Inhalte gibt, die alle gleichzeitig lernen können, zum Beispiel Golfregeln, Etikette und die wirklich grundlegenden Erklärungen wie: linke Hand oben, Ball in der Mitte, parallel ausrichten etc.
Gruppenunterricht ist noch am ehesten bei einem Platzreifekurs sinnvoll. Doch auch hier besteht bereits eine Gefahr: nämlich, dass das Pauschal-Unterrichten zu lange anhält. Nach maximal einer halben Stunde brauchen alle Golfer individuelle Korrekturen. Und jede Anweisung kann Gold für den einen und Gift für den nächsten sein. Ich empfehle also nach dem Bestehen der Platzreife (sprich: dem Handicap 54) oder spätestens mit der Turnierreife (Hcp. 45) Einzelunterricht statt Gruppenkurse. Den kann man natürlich auch gut zu zweit buchen, sodass man sich abwechseln kann, um zwischendurch regenerieren oder eine Weile alleine üben zu können. Kurse zur Handicapverbesserung empfehle ich also hauptsächlich dann, wenn das Kennenlernen anderer Golfer im Vordergrund steht.
Mythos 4:
Ohne Platzreife gäbe es Chaos auf den Plätzen
Sie haben schon gemerkt, dass ich der Platzreife eher kritisch gegenüber stehe. Warum? Weil so eine Hürde am Anfang, den Einstieg ins Golfen nur noch schwieriger macht. Dieser Sport kämpft ohnehin schon mit dem Ruf, er sei nur etwas für steinreiche Rentner mit Profilneurose. Da muss man den Einstieg nicht auch noch künstlich verkomplizieren.
»Aber gäbe es auf den Golfplätzen nicht Mord und Totschlag ohne Platzreife?« Gibt es in den anderen Ländern auch nicht. USA, Australien, Kanada, Großbritannien und Irland — nirgendwo hat man je das Wort Platzreife gehört. Wer das Greenfee zahlt, darf spielen und wer die anderen aufhält, fliegt vom Platz. So einfach ist das. Aber es hat auch keinen Sinn, sich weiter darüber aufzuregen. Der DGV und die Golfclubs sichern damit ihr Monopol. Nutzen Sie Ihre Zeit lieber zum Golfspielen als für das hoffnungslose Bemühen, den deutschen Golfsport zu reformieren.
Mythos 5:
Greenfee-Spieler sind Schmarotzer
Es ist immer wieder erstaunlich, wie sozialistisch in den meisten Golfclubs gedacht wird, vermutet man hier doch eher Anhänger der freien Marktwirtschaft anzutreffen. Wenn jemand ohne Mitgliedschaft auf einem Platz spielen will, dann zahlt er dort Greenfee. Die Greenfees sind jedoch in der Regel zu niedrig, um daraus den Betrieb des Golfplatzes und des viel zu teuren Clubhauses zu finanzieren. Also will der Golfclub — ähnlich wie ein Fitness-Studio — möglichst viele Mitglieder, die möglichst selten spielen. So wächst nämlich die Spielgebühr pro Runde schnell auf mehrere hundert Euro an. Wer also wenig spielt, für den rechnet sich eine Mitgliedschaft nicht. Was können die Clubs also tun? Sie verlangen Mitgliedschaften, um die Leute überhaupt auf den Platz zu lassen. Das nennt man dann wohl Protektionismus.
Was können Sie dagegen tun? Die eine Möglichkeit besteht in einer VCG-Mitgliedschaft. Das Witzige ist, dass der DGV damit eigentlich seinen eigenen Protektionismus unterwandert. Die zweite Möglichkeit sind Fernmitgliedschaften für kleines Geld. Auch so kommen Sie an einen DGV-Ausweis, den Sie eben oft zum Greenfee-Spielen benötigen. Das Problem bei beiden Varianten: Auf einigen Plätzen können Sie so nicht spielen, auf anderen zahlen Sie ein höheres Greenfee. Mitgliedschaften im Ausland sind übrigens noch gefährlicher, weil deren Gültigkeit schwer zu überprüfen ist und sie deshalb in Deutschland oft nicht akzeptiert werden. Es bleibt Ihnen also nicht erspart, das alles mal individuell durchzurechnen. Dabei gibt es allerdings eine große Unbekannte, nämlich die Zahl Ihrer Runden. Als Anfänger weiß man einfach noch nicht, wie stark es einen packen wird und wie lange die Sucht anhält. Deshalb mein Rat: Halten Sie den Ball erst mal flach und zahlen Sie nicht gleich im Club um die Ecke eine hohe Aufnahmegebühr. Am Anfang können Sie nämlich auch nicht beurteilen, ob Ihnen dieser Platz lange Spaß machen wird. Vor großen Investitionen steht also ein großer Vergleich, den Ihnen keiner abnehmen kann.
Mythos 6: Früher war alles besser
Als ich vor knapp 40 Jahren mit dem Golfspiel begonnen habe, hieß es noch: Für die Platzreife braucht man Doppel-Langer, also 72 Schläge auf 9 Löchern. Das hieß für manche Renter: zwei Jahre lang Driving-Range, Spiel auf dem Platz mit Golfpro oder auf Golfreisen, bis sie irgendwann endlich die Prüfung bestanden. Und von wegen Zählweise nach Stableford — da hieß es gnadenlos »Zählspiel«, und jeder Luftschlag wurde mitgezählt. Wenn man diesen Verzweifelten gesagt hätte, dass die Einsteiger von heute nach »Platzreife in 3 Tagen« googeln, dann wären Sie wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen.
Apropos Tränen: Ein Artikel zum Thema Platzreife wäre nicht vollständig ohne die kurze Schilderung meiner Platzreifeprüfung vor knapp 40 Jahren. Auf dem öffentlichen Golfplatz an der Lausward in Düsseldorf gab es keine Platzreife. Dort spielte ich eine Weile, bis mir jemand erzählte, dass man in Hubbelrath Montags kostenlos auf den Platz kommt, wenn man da als Caddy arbeiten würde. Also fing ich dort als Caddy an — ich verdiente 16 Mark für 18 Löcher — und als ich dann das erste Mal spielen wollte, fragte der Caddymaster Herr Surbeck nach meiner Platzreife-Urkunde. Hatte ich natürlich nicht, also schickte er mich zum Golflehrer, Herrn Dingeldein. Den traf ich irgendwann auf dem Parkplatz, um ihn zu fragen, wie ich als Caddy von ihm die Platzreife bekommen könnte. Der meinte nur lapidar: »Schwing mal.« Darauf ich: »Wo hier? Ich habe meine Golfausrüstung nicht dabei.« Er nun mit mehr Nachdruck: »Schwing mal!« Also habe ich so getan, als hielte ich einen Schläger, um damit auf dem Parkplatz einen Probeschwung zu machen. Darauf Dingeldein: »Platzreife.«