Ping Golf

Vor vielen Jahren hat Ping mich eingeladen, deren Forschungsabteilung zu besuchen. Zusammen mit Nationaltrainer Stephan Morales entstand dieser Bericht.

Die Forschungsabteilung bei Ping.

Der perfekte Golfer ist männlich, einsachtzig groß, wiegt über vier Zentner und wird in Phoenix/Arizona unter Verschluss gehalten. Er haut seine Drives länger und genauer als Moe Norman, seine Eisen präziser als Tiger Woods, und beim Pitchen lässt er sogar Phil Mickelson alt aussehen. Seine Eltern nennen ihn Ping-Golf-Man. Und trotz allem wird dieser Golfer nie ein Major gewinnen. Denn: Der Ping-Golf-Man ist eine Maschine. Ein Golf-Roboter, den die Entwickler des amerikanischen Schläger-Herstellers Ping täglich tausende Bälle schlagen lassen, damit er ihre neuesten Schläger-Modelle prüft. Nationaltrainer Stephan Morales und ich durften den Ping-Golf-Man kennenlernen. Einfach war das nicht, denn Ping-Golf-Mans Eltern meiden die Öffentlichkeit wie Tourspieler Wasserhindernisse. Auf der Suche nach dem perfekten Golfschläger hatten wir uns für eine Routine-Besichtigung der Ping-Fabrik angemeldet und mussten zunächst die Fertigungshallen von Ping bewundern.

Ein neueres Video, aber der Ping-Man hat sich seit unserem Besuch nicht groß verändert.

Das Gießen der Schlägerköpfe hat bei Ping nichts Ungewöhnliches, außer vielleicht, dass die Firma das in einer Tochterfabrik erledigen lässt, anderthalb Stunden von Phoenix entfernt. Seit jeher gießt Ping nur Standard-Lies und -Lofts, um sie nachträglich zu biegen. Jeff Tolzman von Ping, der uns herumführt, warnt jedoch: »Versucht das besser nicht mit Eisen, die älter sind als zehn Jahre! In dieser Zeit wird das Material zu spröde.«

Eine Mikroskop-Aufnahme eines Ping-Klones soll uns davon abhalten, andere Produkte als das Original zu kaufen: Sie zeigt eine deutlich ungeordnetere Materialstruktur. So überzeugend das Bild auch wirken mag, es wurden noch nie Tests mit einem Schlagroboter veröffentlicht, die Unterschiede gezeigt hätten zwischen Klones und Originalen – weder von Ping noch von anderen Firmen. Das muss selbst Jeff zugeben.

Die nächste Station der Besichtigungstour bei Ping ist die Halle, in der die angelieferten Rohlinge verarbeitet werden: In teurer Handarbeit wird aus stumpfen Metallstücken ein polierter Ping-Golfschlägerkopf. Beim Schleifen und Polieren entstehen ein Lärm und eine metallhaltige Luft, die eine Frage nach der Krebserkrankungsrate der Ping-Mitarbeiter provoziert. Jeff beruhigt uns und erklärt, dass die Abzugshauben hervorragend funktionierten und die Mitarbeiter immer einen Mundschutz sowie Ohrstöpsel trügen. Ping sei ein begehrter Arbeitgeber in der Region: »Wir zahlen mehr als den Mindestlohn und Sozialleistungen. Wer bei Ping einen Arbeitsplatz hat, wechselt ihn nicht so schnell wie andernorts.«

In der nächsten Halle von Ping kleben Mitarbeiter Schäfte in die Köpfe und ziehen Griffe auf. Ein Mitarbeiter verändert den Lie jedes Ping-Eisens mit einem Hammer und dessen Loft mit einem Hebel, denn bei Ping wird jeder Satz nach einer individuellen Bestellung zusammengebaut. Wir sind verblüfft, in welcher Geschwindigkeit dieser Mitarbeiter Lie und Loft eines Schlägers anpassen kann. Nach jeder Änderung misst er neu, und nach fünf bis acht Minuten ist ein ganzer Ping-Satz fertig. Jeff nennt stolz die typische Tagesproduktion bei Ping: »1500 Sätze«. Am Ende bekommt jeder Ping-Schläger noch unterschiedliche Gewichte in den Kopf geklebt, sodass die Sätze auch auf der Schwunggewichts-Waage eine gute Figur abgeben. Die Spieleigenschaften verbessert das nicht, aber es beruhigt das Gewissen.

Nach der Pflicht kommt nun endlich die Kür. Jeff fährt uns zu Ping WRX, der Abteilung fürs Anpassen und die Entwicklung. Wir kommen uns vor wie beim CIA: Zunächst müssen wir einen Vertrag unterzeichnen, der uns Strafe androht, wenn wir die gewonnenen Erkenntnisse unzensiert an die Öffentlichkeit bringen, wir bekommen Besucher-Ausweise, und erst danach gibt John Souza, der Chef von Ping, einen schier endlosen Code in die Sicherheitstür der Ping-Forschungsabteilung ein.

Hier arbeiten die wahren Freaks: John stellt uns Mustapha vor, einen extrovertierten Südländer, der gerne über seine Arbeit bei Ping plaudert. Nach freundlicher Begrüßung kommt Mustapha gleich zur Sache und stellt uns den Ping-Golf-Man vor, seinen wichtigsten Mitarbeiter bei der Suche nach dem perfekten Schläger. Der Ping-Golf-Man hat im Gegensatz zu seinem Bruder, Herrn Byron (Vorname Iron), einen völlig frei gelagerten Schlagarm und simuliert einen Golfschlag daher noch realistischer. Damit der Ping-Golf-Man die Schlagweite seiner Bälle nicht selber abschreiten muss, horchen auf der Driving-Range im Quadratmeterabstand unzählige Mikrofone im Gras nach dem Aufprall. Ein Computer berechnet in Sekundenbruchteilen, wie weit und wie weit aus der Richtung ein Ball geflogen ist. Dazu muss er nur die Reihenfolge und die Verzögerung kennen, mit der die Schallwellen des Aufpralls bei den verschiedenen Mikrofonen ankommen. So lässt sich natürlich perfekt analysieren, was passiert, wenn man das Material ändert, die Kopfgestaltung, den Ball oder den Treffpunkt. Mustapha ist es nach jahrelangen Tests bei Ping unerklärlich, warum jemand einen Schläger spielen sollte, der die Schlagfehler nicht bestmöglich verzeiht. Auch der Ping-Fitter Jeff empfiehlt keinem Spieler Blades, noch nicht einmal die von Ping – außer wenn der Spieler sie ausdrücklich wünscht. Bekanntlich wird niemand nur mit perfekten, langen Schlägen ein glücklicher Golfer. Der Ping-Golf-Man hat daher einen kleinen Sohn, der das Putten perfektioniert hat. Selbstverständlich arbeitet der auch für Ping und testet deren Putter. Mustapha hat mir sogar erlaubt, meine Putt-Übung mit zwei Bällen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen: Legt man zwei Bälle nebeneinander vor den Putter und zwar so, dass deren Berührungspunkt vor dem Sweetspot liegt, dann rollen diese Bälle tatsächlich nach dem Treffen genau gleich schnell nebeneinander her. Schließt man die Schlagfläche des Putters nur leicht, läuft der äußere Ball schneller, öffnet man sie, eilt der innere voraus. Wird der Putter stark verdreht, trennen sich die Bälle sogar.

In der Schaft-Abteilung von Ping wird es noch geheimer. Hier dürfen wir nicht fotografieren. Der Chef heißt auch hier Jeff und arbeitet seit 17 Jahren für Ping. Anscheinend gefällt es den Leuten bei Ping besonders gut oder die seltenen Wechsel haben etwas damit zu tun, dass Ping grundsätzlich keine Ex-Mitarbeiter anderer Schläger-Firmen beschäftigt, um die Betriebsgeheimnisse besser zu hüten. Nach dreißig Jahren Forschung auf dem Gebiet der fehlerverzeihenden Schläger haben die Leute von Ping verständlicherweise viel zu verbergen.

Jeff der Schaft-Experte hat in seiner Zeit bei Ping 10.000 verschiedene Schäfte auf 18 Parameter untersucht. So ist es möglich, den Schaft eines Tourspielers zu vermessen und ihm eine Alternative eines anderen Herstellers zu empfehlen. Um wie vieles leichter wäre ein Überblick über das unübersichtliche Angebot, wenn alle Schäfte auf die gleiche Weise getestet würden und nicht die Bezeichnung »S« des einen Schaft-Herstellers der Bezeichnung »L« des nächsten entsprechen würde? Ganz zu schweigen von undefinierten Größen wie Torque, Flex- oder Bending-Point.

Natürlich stellen wir als Erstes die Frage, die Jeff bei Ping schon so oft gehört wie er Schäfte vermessen hat: Was zeichnet den perfekten Schaft aus? Und Jeff beantwortet sie ohne Unruhe oder Langeweile. Natürlich hänge das vom Spieler ab. Wichtig sei vor allem, dass die Steifigkeit zur gewünschten Flughöhe passe, und da würden sich auch die Tourspieler stark unterscheiden: Der eine will einen sehr hohen Ballflug, und der nächste liebt flache Flugkurven. Zwei Spieler mit identischen Treffmomentfaktoren müssen also mitunter zwei grundverschiedene Schäfte spielen. Auch das Gewicht des Schaftes hängt nicht nur von der Schlägerkopfgeschwindigkeit ab. Ein leichterer Schaft lässt den Ball zwar weiter fliegen, weil man ihn deutlich schneller schwingen kann, aber der Ball wird auch mehr nach links abdrehen, weil man etwas früher schlägt: Ein Segen für den Amateur mit kurzem Slice. Für den Pro mit langen Hooks jedoch ein Alptraum. Jeff versprach uns, dass wir am übernächsten Tag beim eigenen Fitting auf dem Ping-Testgelände das alles nachvollziehen könnten.

Zum Schluss frage ich noch nach MOI-Matching und werde zu dem offensichtlich ältesten Mitarbeiter bei Ping geschickt. Die Wände seines versteckten Büros sind mit Diplomen tapeziert, und in seinem Bücherregal quetschen sich nur Bücher, bei deren Titel Normalsterbliche resignieren würden. So stellt man sich einen Nerd vor: Der zerstreute Professor, vergesslich, fängt gerne einen neuen Satz an, bevor der letzte beendet ist, spricht undeutlich, kritzelt dauernd Notizen auf Blöcke, die außer ihm keiner verstehen kann, aber er ist analytisch brillant und sehr sympathisch.

Er erzählt uns, dass auch er schon vor fünf Jahren bei Ping einen größeren Test zum Thema MOI-Matching gemacht hat. Tests mit Golfern hätten ihnen jedoch gezeigt, dass sie die Umgewöhnung scheuen und dass Ping dieses völlig neue Konzept wahrscheinlich auch nicht vermarkten könne. Bei einem einheitlichen Trägheitsmoment (MOI = Moment of Inertia = Trägheitsmoment) fühlen sich die Schläger beim Schwung gleich an. Ping setzt trotzdem weiter auf ein einheitliches Drehmoment, was in der Golfwelt fälschlicherweise Schwunggewicht genannt wird. Bei diesem Konzept fühlen sich alle Schläger gleich an, wenn man sie 20 Zentimeter kürzer greift und einfach nur horizontal ausgestreckt hält, genau wie es eine Schwunggewichts-Waage macht.

Unser zweiter Tag bei Ping: Acht Uhr. Der Chef Fitter – natürlich auch ein Jeff – erhält klare Anweisungen vom Ping-Chef: »Sieh zu, dass Oliver und Stephan für den Rest ihres Lebens nur noch Ping spielen wollen.« »Das wird nicht einfach«, warne ich, aber es würde mich natürlich freuen, wenn mein Golf allein durch andere Werkzeuge noch etwas an Qualität gewönne.

Wir schlagen uns mit eigenen Schlägern auf der Ping-Range ein, und mir ist sofort klar, dass ich den Ball heute besser treffe als die ganze Woche zuvor beim Spiel in Florida. Ich freue mich also, weil man so natürlich am besten filtern kann, welche Materialeigenschaften helfen und welche nicht. Die Driving-Range von Ping liegt mitten in einem Industrie-Gebiet, und wenn man einen Slice schlägt, landet der Ball in der Nachbar-Firma. Trotzdem sind die Bedingungen perfekt: Die Qualität des Grases in Arizona ist einfach atemberaubend. Wie zwei Anfänger knien wir mit gemeinsam 35 Jahren Golf-Erfahrung auf dem Abschlag von Ping und fragen uns, ob das nicht doch Teppich ist. Ich habe nach jedem Schlag das Gefühl, dabei zusehen zu können, wie meine herausgeschlagene Divots wieder zuwachsen, so gut sind Klima und Boden.

Die statische Vermessung ergibt zunächst, dass ich weiße Ping-Punkte brauchte (3 Grad aufrechter Lie). Beim Schlagen vom Ping-Lie-Bord liege ich jedoch mit grün (2 Grad) und blau (1 Grad) am besten. Nach vielem Hin und Her mit verschiedenen Ping-Schäften stellt sich heraus: 80-Gramm-Graphit-Schäfte (genau wie meine vorigen Schläger), blaue Ping-Punkte und ein viertel Inch Überlänge ergeben die geradesten Schläge mit einer Flughöhe, die mich zufrieden stellt. Der größte Unterschied zu meinen vorigen Schlägern liegt in der Steifigkeit der Schäfte: Seit dem vorausgegangenen Fitting (fünf Jahre zuvor) hat meine Schlägerkopfgeschwindigkeit aufgrund von technischen Änderungen und regelmäßigem Krafttraining etwas zugenommen, sodass ich inzwischen nicht mehr weiche, sondern steifere Schäfte brauche.

Anschließend gehen wir in Jeffs Ping-Hütte, um Hölzer auszusuchen. Hütte ist nicht ganz die richtige Bezeichnung für den Raum, aus dem man die Hölzer auf die Range schlägt: Auf edlem Teppich stehen mehrere Lederfauteuils, an den Wänden hängen Plasmabildschirme. Jeff, der an einem schweren Mahagoni-Schreibtisch sitzt, bietet uns aus seiner Küche Snacks und gekühlte Getränke an. Er arbeitet bei Ping übrigens ohne Atemschutzmaske und Gehörschutz.

Nun folgte der interessanteste Teil: Nur selten führt die bei mittleren Eisen gefundene Kombination auch bei den kurzen und langen Eisen zu den besten Resultaten und so durchläuft man den gleichen Prozess wieder mit den langen und mit den kurzen Eisen. Das Resultat: Ich brauche Wedges mit rotem Ping-Punkt (1 Grad flach), kurze Eisen in schwarz (Standard), mittlere Eisen wie gesagt in blau (1 Grad aufrecht) und die langen Eisen benötigen einen grünen Ping-Punkt (2 Grad aufrecht).

Mit einem Streifen markierte Bälle werden so platziert, dass sie auf das Auge einer neuen Maschine zeigen, die nicht nur den Abflugwinkel und den Rückwärtsdrall misst, sondern auch den Seitwärtsdrall und das mit beeindruckender Genauigkeit. Schnell wird klar, was man zwar schon lange weiß, aber so deutlich noch nie gesehen hat: Drives, die ähnlich einem Flugzeug flach starten und sich am Ende nach oben schrauben, fliegen lange nicht so weit wie hoch startende Bälle mit wenig Drall, die ihren Zenit viel früher erreichen. Man darf den Ball also keinesfalls zu tief am Schläger treffen und nicht mit zu wenig Loft spielen. So brauche ich beispielsweise bei Drives, die 210 Meter Carry fliegen, zwölf Grad Loft.

Mit einem ideal auf mich abgestimmten Ping-Holz 7 (2 Grad flach) schlage ich regelmäßig über 205 Yards. Der Unterschied zu meinen Vorkriegs-Fairwayhölzern ist so offensichtlich, dass sich Jeff spätestens hier keine Sorgen mehr machen musste über die Vorgabe seines Chefs, dass ich nur noch Ping spielen soll für den Rest meines Lebens. Auch mit den neuen Wedges von Ping habe ich kurze Lobs gespielt, die ich in der Qualität und Wiederholbarkeit so noch nicht bei mir erlebt habe. Ein halbes Jahr später sind alle Schläger bei mir in Mecklenburg-Vorpommern eingetroffen, und sie spielen sich auch auf den Fairways des Golfclubs Fleesensee so wie auf der Ping-Range in Phoenix. Die lange Wartezeit verdeutlicht leider ein weiteres Manko beim MOI-Matching: Es ist so aufwendig, dass die Produktionszeit erheblich ansteigt und damit natürlich auch die Kosten.

Am Ende der Suche nach dem perfekten Golfschläger stehen nun zwei Einsichten: Ich habe erstens für meine schlechten Schläge eine Ausrede weniger, denn meine Ping-Schläger sind nun besser aufeinander abgestimmt als die der Tourspieler, und sie sind mindestens so gut angepasst. Zweitens ist mir klar geworden, dass der Ping-Golf-Man wahrscheinlich mit einem umgedrehten Regenschirm ein besserer Ballstriker wäre als ich, denn er hat den perfekten Schwung.