Didaktik

Vor jeder Didaktik stehen im Golfunterricht Analyse und technische Diagnose. Die Diagnose allein macht allerdings noch keinen Golflehrer. Leider paaren sich die Eigenschaften talentierter Diagnostiker — Intelligenz, Analytik, Forschergeist — selten mit der Einfühlsamkeit, der es bedarf, um anderen etwas beizubringen. Wenn die Diagnose trifft, sind folgende Dinge aus meiner Sicht wichtig:

1. Feedback
Ein kompetenter Golflehrer versucht nicht, mit seinem Wissen zu glänzen, sondern sagt dem Schüler nur das, was er braucht, mit Worten, die er verstehen kann, in einem Klima, das der Schüler als angenehm wahrnimmt. Idealerweise ist das Feedback des Lehrers korrekt, sind die Informationen für den Schüler relevant und kommen zu Anfang der Stunde sehr schnell. Schüler merken auch sofort, ob Lehrer mit ihrer Zeit sorgsam umgehen oder ob Erklärungen unnötig in die Länge gezogen und Übungen eingefügt werden, die nur die Unterrichtszeit strecken.

2. Empathie
Ein kompetenter Golflehrer hütet sich vor der Annahme, der Schüler lerne wie er. Die wichtigste Unterscheidung sind hier aber nicht die angeblichen Lerntypen mit den Namen »visuell«, »auditiv« oder »kinästhetisch« (siehe nachfolgendes Video), sondern »Gefühlsgolfer oder Analytiker«, »Progressiver oder Konservativer«. Dazu habe ich einen Test entwickelt, den Sie hier kostenlos nutzen können:
a. Golftest
b. Test ohne Golfbezug

Mythos Lernstile: Es gibt keine visuelle, auditiven und kinästhetischen Lerntypen.

3. Liebe
Angeblich hat ein Schüler von Sokrates den Meister einmal gefragt, warum ein bestimmter anderer Schüler so wenig lerne. Dessen Antwort: »Er liebt mich nicht.«

Liebe verstehe ich als eine Beziehung zu etwas oder zu jemandem, das oder der mein Leben ausgesprochen bereichert. Im Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer entsteht sie also, wenn der Schüler den Eindruck hat, der Lehrer bereichere sein Leben. Das kann dieser am einfachsten mit Unterricht, der dabei hilft, schnell Schläge zu sparen oder zumindest den Ball gerader, konstanter und weiter zu schlagen. Manche Lehrer gefallen sich jedoch in der Rolle des harten, unnachgiebigen Gurus, der schon wegen seines Amtes Respekt verdient, und der wie ein Zen-Meister wortkarg durch die Meditationshalle läuft, um den Schülern eins mit dem Stock auf den Rücken zu geben, wenn diese in seinen Augen nicht achtsam genug sind.
In der Stunde kann der Lehrer den Schüler schnell von seiner Fähigkeit überzeugen, ihm das Leben zu bereichern, wenn er Prognosen abgibt, die sich bewahrheiten. Beispiel: »Ich drehe Ihren Griff jetzt so weit, dass der nächste Ball wahrscheinlich sogar zu stark hooken wird.« Hookt der Ball dann tatsächlich, merkt der Schüler, dass der Lehrer weiß, wovon er spricht. Ein weiteres Beispiel: »Wenn Sie den Schläger im Abschwung jetzt deutlich abflachen, wird Ihr Schläger bei den ersten Versuchen bis zu zehn Zentimeter zu hoch an den Ball kommen, deshalb gebe ich Ihnen sogar für das Eisen vorübergehend ein hohes Tee.«

4. Erfolgsquote
Ein kompetenter Golflehrer reduziert die Anforderungen so weit, bis der Schüler sie erfüllen kann: Probeschwünge, Zeitlupen-Schwünge, Schläge in ein Netz, halbe Schwünge, Pausen im Schwung oder kurze Schläger sind zu Anfang oft die einzige Chance auf Änderungen im Bewegungsablauf. Wenn es ums Ausholen geht, kann der Lehrer auch helfen, indem er den Schüler in die gewünschte Position im höchsten Punkt führt, danach zur Seite tritt und ihn ohne erneutes Ansetzen aus dieser Position schlagen lässt. Bei dieser Übung empfehle ich jedoch größte Vorsicht. Ich sage meinen Schülern immer, dass sie bitte nicht nur warten, bis ich zur Seite getreten bin, sondern bis ich auch noch ein Kommando gegeben habe.

Überforderung wie Unterforderung wirken sich nachteilig auf den Erfolg aus. Liegt die Erfolgsquote bei ca. 50 Prozent, bewegt man sich im grünen Bereich. Die Ungeduld des Schülers und der Ehrgeiz des Golflehrers machen diese Leitlinie aber manchmal zu einer wahren Prüfung.

5. Deduktives Lernen
Aus dem Schulunterricht seit den 70er Jahren kennen die meisten den krampfhaften Versuch der Lehrer, induktiv zu unterrichten. Hierbei darf der Lehrer keinesfalls etwas tun, was auch nur annähernd an Frontalunterricht erinnert. Aus diesem Grund glaubt er, er müsse alles von den Schülern selbstständig erarbeiten lassen, damit es anschließend tiefer verinnerlicht wäre. Im Schulunterricht führt das leicht dazu, dass nach der Hälfte des Jahres erst ein Viertel des Lehrstoffes bewältigt ist und in der zweiten Hälfte in doppelter Geschwindigkeit deduktiv vorgegangen wird. Ich halte diese Vorgehensweise schon im Schulunterricht für falsch, aber im Golfunterricht ist sie ganz sicher nicht effektiv. Der Schüler kommt, um seinen Ball schneller von A nach B zu bugsieren, und deshalb haben die meisten kein Problem damit, wenn der Lehrer die Lösung bereitstellt. Das Umsetzen ist schließlich schwierig genug.

6. Hilfsmittel
Trainingsgeräte, die den Golfer automatisch dazu bringen, etwas zu tun, helfen meist nicht. Es ist zum Beispiel einfach, eine Stütze für das linke Handgelenk zu bauen, die ein dorsales Abknicken beim Ausholen unmöglich macht. So eine Stütze hilft zwar, wenn man sie benutzt, aber sie hilft dem Golfer nicht dabei, die Bewegung selbstständig zu erlernen. Im Gegenteil: Das Gehirn kann sogar die falschen Muskeln aktivieren, denn das Gerät drückt ja dagegen. Deshalb sieht man oft, dass sich nach dem Training mit dem Hilfsmittel das Problem sogar verschärft hat.

Der Roboter »Top Golf« in der Hütte 2 mit meinem ehemaligen Lehrling Kai Neveling.

Das extremste Beispiel so eines Hilfsmittels ist ein Roboter, der den Golfer in die perfekte Bewegung zwängt. Ich hatte diesen Roboter ein halbes Jahr lang und habe ihn danach enttäuscht zurückgegeben.

In diesem Video sieht man neben dem Roboter einen Golfunterricht, in dem das praktiziert wird, was ich »Schwung-Gestalten« nenne. Die von mir praktizierte Alternative ist das Korrigieren, bei der ich nicht versuche, dem Schüler von A-Z einen perfekten Schwung beizubringen, sondern nur so viel korrigiere wie nötig, um den Schläger richtig an den Ball zu bringen.
Inzwischen gibt es sogar einen Roboter, der nicht nur den Schläger, sondern auch den Körper in die »optimale« Position zwängt.

Im Gegensatz hierzu funktionieren Hilfsmittel, die erst dann intervenieren, wenn der Golfer »auf die schiefe Bahn geraten ist«. Zum Beispiel Schaumstoffe, die man an Orten platziert, an denen der Schläger nichts zu suchen hat. Hier ein uraltes Video, das das Prinzip veranschaulicht:

Der Roboter kostet übrigens 50.000 Euro, der Schaumstoff — trotz Inflation — auch 2022 nur einen Euro.

7. Paradoxe Intervention
Das Gegenteil eines Hilfsmittels, das den Golfer in korrekte Positionen zwingt, ist die sogenannte paradoxe Intervention. Wenn der Golfer beispielsweise im Abschwung zu steil wird und seine Unterarme zu stark rotiert, dann kann der Lehrer den Schüler in die richtige Position führen, den Schläger dort absichtlich in die falsche Richtung drücken und dem Schüler sagen, er möge das nicht zulassen. Jetzt drückt der Schüler in die gewünschte Richtung und der Lehrer in die unerwünschte. So steuert der Schüler genau die richtigen Muskeln an, und das Gehirn lernt die Aktivierung dieser Muskeln.

8. Führen und Spüren
Eine Alternative, die ich gerne beim Wegnehmen nutze, besteht darin, den Schläger des Schülers einfach auf die richtige Bahn zu führen und dabei nichts zu erklären. Jetzt frage ich den Schüler, welche Muskeln er spürt und bekomme immer höchst individuelle Antworten. Das, was der Schüler jetzt sagt, ist aber oft der ideale Schlüsselbegriff, um ihn im Weiteren immer wieder zu verwenden.

9. Verzögertes Feedback für Fortgeschrittene
Bei der Frage, wie schnell das Feedback des Lehrers idealerweise kommt, hat man in einer Studie herausgefunden, dass ein sofortiges Feedback zum größten Fortschritt in der Stunde führt. Diejenigen, die grundsätzlich erst vorher gefragt wurden, wie sie ihren letzten Versuch einschätzen, haben in der Stunde zwar geringere Fortschritte gemacht, aber das Gelernte länger behalten. Ich nutze deshalb immer sofortiges Feedback, bis der Golfer auf eine gewisses Niveau kommt; ab dann frage ich ihn vor meinem Feedback nach seiner Einschätzung.

10. Schummeln
Bei all der Didaktik bleibt der Analytiker immer wach, denn beim Umsetzen der Korrekturen, die der Golflehrer vorschlägt, ist Betrug der Normalfall: Wer den Schläger steiler wegnehmen will, dreht weniger; wer später schlagen will, schwingt gerne von außen nach innen; wer mehr drehen will, weicht mit den Hüften aus; und so weiter. Jetzt empfehle ich, das Schummeln sofort zu unterbinden, sonst übt der Schüler nur neue Fehler. Ein erfahrener Lehrer hat die typischen Schummelbewegungen schon im Kopf und kann deshalb sofort darauf reagieren.

PS: Den folgenden Text hat Thomas Zacharias vor vielen Jahren in dem für ihn eigenen Stil für Golflehrer geschrieben. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass er auch einige Hobbygolfer anspricht:
Golflehrer unterrichten Erwachsene (PDF 40 Kb)